Grabungsgeschichte

F. A. Köhler (1768-1844), zeitweilig Pfarrer in Marschalkenzimmern, der sich auch um die Sulzer Geschichtsschreibung sehr verdient gemacht hat, schreibt 1835:

Nach einer aus dunkler Vorzeit bis auf unsere Tage fortgepflanzten Sage stund schon im 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung auf der Fläche des Berges hinter der Kirche eine Stadt. Beim Ackern auf der Fläche dieses Berges wurden zuweilen alte Münzen gefunden. Eine alte römische Hochstraße zieht über den Rücken desselben hin ... unweit dieser Weiherwiesen entdeckte man noch in neueren Zeiten an der sogenannten Guldenhalde die Grundmauer eines Gebäudes. ... Auf dieser erhabenen Stelle, welche sich nicht für eine Stadt, wohl aber für die befestigte Station einer Legion oder Cohorten-Abteilung eignete, lag zur Deckung der durchlaufenden Hochstraße und zugleich zur Behauptung der den Alamannen wichtigen Salzquelle, nach der übereinstimmenden Meinung der älteren Geschichtsforscher Solicinium. (Zitat nach Unz, S. 29)

Köhler hat hier wesentliche Punkte angesprochen:

Ein weiterer Pfarrer, Dekan A. Klemm (in Sulz von 1887-1892), gründete am 8.1.1890 den Sulzer Altertums-Verein und unternahm Sondierungsgrabungen im Gelände des Kastells, die jedoch nicht die erhofften großen Ergebnisse und Funde erbrachten. Dekan Klemm verließ Sulz bereits im Jahre 1892, aber auf seine Veranlassung unternahm die 1892 gegründete Reichs-Limes-Kommission Sondierungsgrabungen im Herbst 1895.

Streckenkommissar Dr. R. Herzog war zunächst skeptisch: Herzog

Die Lage und Beschaffenheit des Ortes schien so sehr den Kastellanlagen der ersten Jahrhunderte zu widersprechen, dass eine Vermutung nicht sehr wahrscheinlich war, weshalb auch zunächst nur bescheidene Mittel für die Untersuchung ausgesetzt wurden. Die Ausgrabungen im Herbst 1895 haben jedoch ergeben, dass hier in unregelmässigstem Gelände ein regelrechtes Kastell gestanden hat.

Er schließt seinen Bericht:

Ob die bürgerliche Niederlassung der rauhen Witterung dieses Hochplateaus zum Trotz bis zum Ende der Römerherrschaft hier fortbestanden hat, wo sie im Anschluss an das nach strategischem Gesichtspunkte erbaute Kastell entstand, oder ob sich die Einwohner nach Verlegung der Truppenmassen günstigere Lebensbedingungen aufsuchten, werden diejenigen entscheiden, welche die dankbare Aufgabe einer Ausgrabung der Niederlassung auf sich nehmen. Die im Thal zur Nutzbarmachung der Salzquellen gegründete Stadt Sulz ... wurde jedenfalls zum großen Teil mit dem Baumaterial der "Altstadt" erbaut. Über die Besatzung des Kastells giebt weder ein Ziegel noch ein Stein Auskunft.

Grabungen




Die "dankbare Aufgabe einer Ausgrabung der Niederlassung" stellte sich, als die Stadt Sulz im Bereich der früheren römischen Vicus eine Wohnsiedlung errichten wollte. Von 1967 - 1972 wurde auf Initiative von Siegwald Schiek der römische Vicus durch das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Außenstelle Tübingen, unter Leitung von Hermann Friedrich Müller systematisch untersucht. Wie die Karte zeigt, ergaben sich weitere kleine Grabungen im Zusammenhang mit Bauvorhaben.

Im Jahre 1995 ermöglichten Grabungsarbeiten für die Abwasserleitung des Baugebietes "Kastell 2" einen Blick auf gewaltige Kastellmauern und Türme und konkretisierten die Vorstellungen von dem Kastell. Die archäologische Untersuchung von ca.1000 Quadratmeter im Kastellvicus und ca. 500 Quadratmeter quer über die Nordecke des Kastells leitete C. Sebastian Sommer.

Solicinium???

Ungeklärt ist weiterhin der Name des Kastells. Der Name Solicinium ist nur bei dem lateinischen Schriftsteller Ammianus Marcellinus im 4. Jahrhundert belegt, als er in Buch XXVII, Kap. 10, der "Res Gestae a Fine Corneli Taciti" eine im Jahre 368 stattfindende Schlacht zwischen Kaiser Valentinianus (von seinem Sohn Gratianus begleitet) und Alamannen beschreibt.
Für die Lokalisierung dieser Ortschaft in unserer Gegend gibt es im wesentlichen zwei Lager:.

Solicinium = Sulz oder Solicinium = Sülchen bei Rottenburg a.N.

Welche Formen Lokalpatriotismus annehmen kann, erwähnt Christoph Unz im Sulzer Stadtbuch. So hat man in Rottenburg im letzten Jahrhundert sogar Ritzinschriften mit "Solicinium" auf Tonscherben gefälscht, um den Ort der Schlacht nach Rottenburg zu verlegen. Hieran wird genau das Problem sichtbar: Es fehlen konkrete Belege schriftliche Belege. Die heutige Forschung neigt dazu, Solicinium mit Sülchen bei Rottenburg gleichzusetzen und den Ort der Schlacht auf den Spitzberg zwischen Wurmlingen und Tübingen zu legen. Heidelberg, Schwetzingen und der Glauberg sind weitere Kandidaten.

Fragen und Probleme

Im Zusammenhang mit der Sulzer Römersiedlung gibt immer noch es eine ganze Reihe von Fragen:
Wo waren Verwaltungsräume - Heiligtümer - Bad - Friedhof? Wurden die Salzquellen im Tal schon von den Römern genutzt?
Ein Forscher resümiert treffend auf einer Schautafel:

Heute zählt Sulz zu den am vollständigsten untersuchten römischen Siedlungen in Baden-Württemberg. Im Widerspruch dazu steht der vergleichsweise bescheidene Stand einer wissenschaftlichen Aufarbeitung der erzielten Grabungsergebnisse.

Publikationen

F. A. Köhler: Beschreibung und Geschichte der Stadt [Sulz] und ihres Oberamtsbezirks (1835)
R. Herzog: Das Kastell Sulz. Der Obergermanisch-Raetische Limes des Römerreiches B 61 a (1897)
Hermann Friedrich Müller: Der römische Vicus von Sulz am Neckar. Fundberichte aus Baden-Württemberg 1 (1974)
Sabine Rieckhoff-Pauli: Die Fibeln des römischen Vicus von Sulz am Neckar. Saalburg Jahrbuch 34 (1977)
G. Fingerlin: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg (1982), S. 115ff
Ch. Unz: Sulz - Urgeschichte, Römerzeit, frühes Mittelalter. In: Sulz. Alte Stadt am jungen Neckar. Festschrift zur 700-Jahrfeier der Stadtrechtsverleihung. Hg. von der Stadt Sulz am Neckar (1984); S.27-53
Andreas Schaub: Markomannenzeitliche Zerstörungen in Sulz am Neckar - ein tradierter Irrtum. Markomannenkriege. Ursachen und Wirkung. (1994)
Andreas Schaub: Ein römischer Keller in Sulz am Neckar (Faltblatt, hg. von der Ges. für Vor- und Frühgeschichte in Württ...)
C. Sebastian Sommer: Neues zum Kastellvicus und Kastell von Sulz, Kreis Rottweil. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg (1995)
Michael Nick: "Beweiß, wie weit der Römer Macht ..." 500 Jahre Römerforschung in Baden-Württemberg. Archäologische Informationen aus BW Heft 50; hg.vom Landesdenkmalamt BW. (Begleitheft zur Wanderausstellung des archäolog. Landesmuseums und des Landesdenkmalamtes BW)
Meilensteine: Römerstraße Neckar-Alb. hg. von Römerstraße Neckar-Alb e.V. (Abschlussprojekt des Kurses Fachzeitschriftenredakteure 18 (FZR 18) bei WBS Training AG Stuttgart)
Das Standardwerk:
Dieter Planck (Hg): Die Römer in Baden-Württemberg. Römerstätten und Museen von Aalen bis Zwiefalten. Stuttgart (2005)